Leo Thiesgen, Bundesinnungsmeister des LandBauTechnik-Bundesverbands im Interview über Ausbildungsstandards, die Zertifizierung von Meisterschulen und Chancen für die Branche.

 

Herr Thiesgen, der Bundesrat hat sich für eine Rückkehr zur Meisterpflicht in vielen Handwerksberufen ausgesprochen – wie sehen Sie als Bundesinnungsmeister des LandBauTechnik-Bundesverbands diesen Vorstoß?

Unsere Branche ist so gesehen von dieser Thematik nicht betroffen, da im Land- und Baumaschinenhandwerk die Meisterpflicht stets beibehalten wurde. Bei vielen anderen Berufen war das nicht so. Durch die Aufhebung der Meisterpflicht in diesen Berufen wurde deutlich weniger ausgebildet und somit keine Qualifikation der Fachkräfte erreicht – Mängel und Rechtstreitigkeiten waren die Folge. Das zeigt auch die jetzige Reaktion des Gesetzgebers, die Meisterpflicht in vielen Berufen wieder einzuführen. Unsere Sorge ist aber eine ganz andere: Wir haben unsere Meisterzahlen in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt, heute legen jedes Jahr fast 400 junge Kollegen bei uns ihre Meisterprüfung ab. Trotzdem bleiben eher zu wenige dieser Meister in unserer Branche, viel zu viele holen sich nur den Titel ab und verlassen uns in Richtung Industrie oder Kommune. Außerdem tun sie sich oft sehr schwer mit einer echten Meisterfunktion in unseren Fachwerkstätten.

Wie ist das zu erklären?

Es gibt verschiedene Gründe. Zum einen liegt dieses an zu wenig Fachpraxis. Denn seit der Novellierung der Meisterverordnung in 2004 kann jeder direkt nach der Gesellenprüfung zur Meisterschule, um seine Meisterprüfung abzulegen. Das heißt: Zwischen Gesellen- und Meisterprüfung liegt oft kaum ein Jahr und entsprechend wenig Branchenerfahrung in Leitungsfunktion. Zudem ist der Meister für Land- und Baumaschinentechnik am Arbeitsmarkt sehr beliebt. Er deckt viele artverwandte Berufe ab. Es bedienen sich viele Sparten die gar nicht, oder zu wenig ausbilden, zum Beispiel die Branche der Gabelstapler, Baufirmen mit eigenen Werkstätten, Bauhöfe der Kommunen oder Städte, Straßenmeistereien, Autobahnmeistereien und viele mehr.

Der Bundesverband zertifiziert seit dem vergangenen Jahr Meisterschulen, wie kam es zu dieser Entscheidung?

Es gibt in Deutschland gut 20 Handwerkskammern und Meisterschulen, die zur Meisterprüfung in unserem Gewerk vorbereiten. Und hierbei gibt es große Unterschiede in Qualität und Erfahrung der Ausbildung, bei der Ausstattung, den personellen Möglichkeiten und auch Divergenzen bei Schulungsdauer und Schulungsgebühren. Da wollen wir ansetzen.

Worin lag denn vorher die Problematik?

Die Mehrzahl der jungen Gesellen wollen nur ein Bewerbungszeugnis, sprich: den Meisterbrief. Aus Sicht der Fachbetrieben wissen wir jedoch, wie schnell die Technik sich in unserer Branche weiterentwickelt. Wir wissen auch, dass man nur aus- und weiterbilden kann mit Ausbildern, die sich selbstständig weiterbilden und die die technische Einrichtung – Stand heute – und nicht den Wissensstand und die Lernmittel von vorgestern haben.

Unsere Innungsbetriebe brauchen gut ausgebildete Meister des LBT-Handwerks. Die Prüfung ist in ihrer Struktur zentral vorgegeben, für die Inhalte der Prüfungsvorbereitung gibt es allgemeingültige Leitlinien. Was passiert aber vor Ort? Wir haben rechtlich keinen Einfluss auf die Ausbildungsqualität der einzelnen Meisterschulen. Diese liegt auf der Seite der Handwerkskammern. Und da soll es auch schon vorgekommen sein, dass ein Landtechnik-Kandidat in einer Kfz-Meisterklasse mitschwimmt und auch seinen Meister bekommt. Daher haben wir überlegt, was wir für unsere Branche tun können, um die Qualität unseres technischen Nachwuchses zu steigern. Dies geht nur durch fachliche Ausbildungsqualität an den Meisterschulen.

Wie hat der Bundesverband darauf konkret reagiert?

Es wurde ein Arbeitskreis, besetzt mit Fachleuten der Branche, gegründet und ein Anforderungskatalog mit Mindesthürden erstellt. Dieser definiert, was für eine zertifizierte Meisterschule für das moderne LBT-Handwerk aus Verbandssicht Standard sein muss. Das wird abgefragt und regelmäßig durch einen externen, neutralen Auditor überprüft.

Dieser Anforderungskatalog wurde an alle Ausbildungsstätten versandt und jeder konnte sich zum Audit bewerben. Wir vom Bundesverband empfehlen unseren Mitgliedsbetrieben, ihren Nachwuchs an eine dieser qualifizierten Schulungsstätten zu verweisen. Denn nur hier wissen wir, dass die Voraussetzungen für eine gute Ausbildung nachhaltig gegeben sind. Genauso empfehlen wir den Betriebsleitern bei der Einstellung eines Meisters für LBT, sich nicht nur das Meisterprüfungszeugnis anzuschauen, sondern auch die Praxisjahre in LBT-Fachbetrieben. Wir wissen, dass es ohne Fachpraxis nicht geht. Die auditierten Schulungsstätten werden seitens des Bundesverbandes besonders beworben, zum Beispiel auf unseren Kongressen, bei Messen, unseren Newslettern, in der Presse.

Welche Meisterschulen wurden bisher ausgezeichnet? Welche werden noch folgen?

Beim Unternehmerkongress „Tag der LandBauTechnik“ im März bei Lemken in Alpen wurden drei Schulungsstätten ausgezeichnet, die als erste das verbandliche Qualitäts-Audit erfolgreich bestanden haben: die Gewerbeschule Breisach, die BFA Lüneburg und die BBZ der HWK Kaiserslautern. Diese drei werden ab sofort vom Bundesverband besonders nachhaltig empfohlen. Denn diese haben die fachliche Kompetenz zur qualifizierten LBT-Meisterausbildung nachgewiesen. Ich bin mir allerdings sicher, dass noch einige weitere Schulungsstätten gibt, die eine Empfehlung verdient haben, weil auch dort die fachliche und technische Ausstattung in vollem Umfang gegeben ist. Wir freuen uns, wenn sich diese Schulen ebenso um die Qualifizierung bewerben.

Was meinen Sie mit fachlicher Kompetenz des Lehrpersonals?

Wir gehen davon aus, dass alle Fachlehrer sehr qualifiziert sind. Wir wissen aber auch, dass die Technik an unseren Maschinen sich ständig weiterentwickelt. Diese Entwicklung findet bei den Herstellern statt. Deshalb wurde vor zehn Jahren der „Ausbildertag“ ins Leben gerufen. Hier hat das BBZ Kaiserslautern in der HWK der Pfalz Pionierarbeit geleistet. Jährlich organisiert es die Ausbildertage, ideell unterstützt vom Bundesverband. Die Schulungen für Fachlehrer finden stets bei den Herstellern statt, die uns hierbei sehr unterstützen. Denn letztlich sind die Hersteller, die wissen worauf es ankommt, denn sie haben die Technik ja entwickelt.

Zu den Ausbildertagen kommen Ausbilder von den Berufsbildungszentren, Meisterschulen sowie Berufsschullehrer. Wir stellen fest, dass sich unser Gesetzgeber recht wenig um die fachliche Weiterbildung seiner verbeamteten Lehrer kümmert und greifen zur Branchen-Selbsthilfe.

 

Woran machen Sie das fest?

Ein Beispiel: Jeder Lkw-Fahrer muss per Gesetz sein Wissen alle fünf Jahre auffrischen. Unser Kontrollpersonal für Feldspritzen ist vom Gesetz verpflichtet, ebenso alle fünf Jahre sein Wissen aufzufrischen. Bei den Fachlehrern müssen wir es halt selbst in die Hand nehmen und hoffen, dass das Ausbildungspersonal freiwillig teilnimmt.

 

Welche Chancen ergeben sich für das Berufsbild des Land- und Baumaschinenmechatronikers?

Die Jobchancen für einen Gesellen sowie für einen Meister der LBT sind sehr gut. Es gibt in ganz Deutschland, vermutlich sogar in Europa kaum einen arbeitslosen Land- und Baumaschinenmechatroniker oder -Meister, der sein Handwerk beherrscht. Beherrschen kann er es aber nur mit qualifizierter Ausbildung. Gut ausgebildete Meister von qualifizierten Meisterschulen ziehen auch wieder gute Fachkräfte nach, die unsere Branche braucht.

Bundesinnungsmeister Leo Thiesgen

Herr Thiesgen, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Gabriele Schulte-Kemper