Werkstattbetriebe in der Landtechnik standen bisher vor einer kniffligen Situation. Die Landwirtschaft hat vor allem in der Erntezeit einen großen Bedarf an Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten sowie Ersatzteilen. Zeit ist dann oft Geld und nicht zuletzt gilt es, witterungsbedingte Ernteausfälle zu vermeiden. Das erfordert einen flexiblen Umgang mit der Arbeitszeit beim Kunden und beim Landmaschinenbetrieb. Bisher gab es enge Grenzen. Doch nun kommt Bewegung in die Sachlage.  – Ein Beitrag von Alexander Bohnsack, Redaktionsleiter der Agrartechnik. 

Kam es in der Erntezeit an einem Sonn- oder Feiertag bei einem Kunden zu einem Schaden an einer Maschine, war es einem Landmaschinenbetrieb untersagt, an diesen Tagen seine Dienstleistungen bereitzustellen. Das könnte sich in Zukunft ein wenig lockern. Den rechtlichen Rahmen bildet das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es regelt die Höchstarbeitszeit, die Mindestruhezeiten, das Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen und die Höchstarbeitszeit während Nachtarbeitszeiten. Das ArbZG sieht jedoch auch Sonderregelungen für die Landwirtschaft vor: verkürzte Ruhezeiten, Sonn- und Feiertagsarbeit ist zulässig. Selbst im Tarifvertrag sind Abweichungen möglich. Allerdings nur für Landwirtschaftliche Betriebe oder Hilfs- und Nebenbetriebe der Landwirtschaft – also beispielsweise Lohnunternehmer. Im Rahmen der Bundestagung des Bundesverbandes LandBauTechnik (LBT) vergangenen Jahres in Alpen und nach Gesprächen mit LBT-Präsident Ulf Kopplin und LBT-Hauptgeschäftsführer Dr. Michael Oelck spricht sich Minister Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen für die erleichterte Anwendung des ArbZG für Betriebe der Landmaschinentechnik aus. Eine weitere Gesprächsrunde führte schließlich zu einer neuen Einschätzung: Betriebe der Landmaschinentechnik sind Hilfs- beziehungsweise Nebenbetriebe der Landwirtschaft.

Das Problem dabei: Betriebe der Landmaschinentechnik sind eigenständige Gewerbebetriebe im Sinne der Handwerksordnung und auf dem Papier keine Hilfs- und Nebenbetriebe im engeren Sinn. Zudem herrscht eine unterschiedliche Prüfpraxis der Gewerbeaufsicht in den einzelnen Bundesländern. Nach weiteren Gesprächsrunden mit Juristen und dem LBT sowie einer eingehenden Prüfung der Rechtslage wirbt Minister Laumann in den Länderausschüssen für Arbeit und Sicherheitstechnik für eine Lösung. In der Arbeitsgruppe des Bund-/Länderausschusses für Arbeit und Sicherheitstechnik (LASI-Ausschuss) einigt man sich pandemiebedingt im schriftlichen Umlaufbeschlussverfahren. Mit einer Mehrheit von 13 Bundesländern sieht der Beschluss vor, dass wirtschaftlich eigenständige Landmaschinenfachbetriebe, die als Reparaturdienstleister für die Landwirtschaft tätig sind als landwirtschaftliche Hilfsbetriebe eingestuft werden können. Die Abweichungen von den Grundnormen des Arbeitszeitgesetzes für die Landwirtschaft durch Landmaschinenfachbetriebe als Hilfsbetriebe dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn ohne deren Einsatz die Arbeit im landwirtschaftlichen Hauptbetrieb während der Erntezeit erheblich gestört würde. In diesem Fall müssen die Abweichungen von den Grundnormen des Arbeitszeitgesetzes auf ein Minimum reduziert werden.

Notfalleinsätze bei Problemen mit einer Erntemaschine auch an Sonn- und Feiertagen zulässig

Die Arbeitseinsätze insbesondere an Sonn- und Feiertagen müssen auf die reinen Reparaturarbeiten beschränkt sein und dürfen nicht auch auf Tätigkeiten der Büro- beziehungsweise Verwaltungsbeschäftigten ausgedehnt werden. Tätigkeiten für Unternehmen, die nicht unter den Begriff der Landwirtschaft fallen, unterliegen ebenso wenig dem Ausnahmetatbestand wie übliche, turnusmäßige Servicedienstleistungen. Diese Regelungen gelten für Hilfs- und Nebenbetriebe in der Landwirtschaft im Zusammenhang mit arbeitszeitrechtlichen Vorschriften, unabhängig von deren abweichenden Einordnung nach der Handwerksordnung oder im unfallversicherungsrechtlichen Sinne.
Die drei Bundesländer, die sich gegen den Beschluss ausgesprochen haben aber im Beschluss nicht öffentlich genannt sind, sehen Notfalleinsätze bei Problemen mit einer Erntemaschine auch an Sonn und Feiertagen für zulässig an, aber nur für Notfälle ausschließlich während der Ernte oder Aussaatzeit. Gänzlich verboten ist die Arbeit an Sonn- und Feiertagen auch in den drei abweichenden Bundesländern nicht. Es gelten strengere Regeln, die im Folgenden aufgeschlüsselt werden.

So werden Landmaschinenbetriebe dort nicht als Hilfs- und Nebenbetriebe der Landwirtschaft angesehen. Die Teilnahme an den Ausnahmeregelungen des ArbZG zugunsten der Landwirtschaft hinsichtlich der Sonn- und Feiertagsarbeiten ist hier nur sehr eingeschränkt möglich. Beispielsweise gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 (Notfallhilfe) oder gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 14 ArbZG (Beseitigung von Störungen oder Reparaturen von Schäden). § 10 Abs. 1 Nr. 1 (Notfallhilfe) sieht vor, dass ein Notfalldienst an Sonn- und Feiertagen, also ein Erbringen von Dienstleistungen, nur zur Abwehr oder Reduzierung von Schäden an Erntemaschinen gestattet ist. Und zwar nur dann, wenn der Notfall, sowie die Dienstleistungserbringung ausschließlich während der Ernte und Aussaatzeit anfällt. Und das gilt auch nur dann, wenn die Notdienstarbeiten nicht auch an einem Werktag vorgenommen werden können. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 14 ArbZG (Beseitigung von Störungen oder Reparaturen von Schäden) sind Reparaturarbeiten unter diesen Voraussetzungen in den abweichenden Bundesländern ab Sonn- und Feiertagen dann erlaubt, wenn die Instandhaltungsarbeiten, also das Erbringen von Dienstleistungen zur Abwehr oder Reduzierung von Schäden an Erntemaschine dient. Das gilt nur während der Ernte- und Aussaatzeit, wenn die Dienstleistungserbringung an Sonn- und Feiertragen stattfinden muss. Die ausgeführten Arbeiten sollen ausschließlich der Erhaltung der Einsatzbereitschaft des landwirtschaftlichen Betriebes beziehungsweise der Vorbereitung der Wiederaufnahme des vollen werktägigen Betriebs dienen. Und das gilt nur dann, wenn die Arbeiten nicht auch an Werktagen vorgenommen werden können. Mit diesen strengeren Regeln in den abweichenden drei Bundesländern sind zwar auch Dienstleistungen an Sonn- und Feiertagen möglich, die Risiken, bei einem Notdiensteinsatz in eine rechtliche Gefahrenzone zu geraten, sind aber höher, der Rahmen noch enger gesteckt als in den übrigen Bundesländern. Das bedeutet: Werkstattbetriebe in der Landtechnik dürfen ab jetzt auch an Sonn- und Feiertagen im Rahmen eines Notdienstes Reparaturleistungen vornehmen. Allerdings ist der Rahmen, in dem dies möglich ist, eng gesteckt. Für LBT-Präsident Ulf Kopplin ist klar: „Nur durch den beharrlichen Dialog ist es uns gelungen diese Tür zu öffnen. Zudem haben wir mit Minister Laumann einen Gesprächspartner gefunden, der pragmatisch an die Sache herangegangen ist und ein Ohr für die Landtechnikbetriebe hat.“

Bisher nicht berücksichtigt von dieser neuen Auslegung der bisherigen Regelungen werden Dienstleistung rund um die Innenwirtschaft. „Man sollte die Nachricht als Auftakt einer Entwicklung betrachten. Wir konnten als Bundesverband in Zusammenarbeit mit dem Unternehmensverband des Handwerks, Berlin, einen bundesweit bedeutsamen Weg beschreiten“, sagt Dr. Michael Oelck, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Landbautechnik.

 

Voraussetzungen für Sonn- und Feiertagsarbeit

  • Arbeitseinsatz erfolgt während der Erntezeit des Landwirtschaftsbetriebs
  • Durch den Arbeitseinsatz wird verhindert, dass die Arbeiten im Landwirtschaftsbetrieb erheblich gestört werden. (Kausalität)
  • Arbeitseinsatz kann nicht an Werktagen vorgenommen werden.
  • Arbeitseinsatz beschränkt sich auf reine Reparaturarbeiten.

Grenzen der Sonn- und Feiertagsarbeit nach LASI-Beschluss:

  • Es handelt sich nicht um Servicedienstleistungen, die üblicherweise oder turnusmäßig anfallen.
  • Der Beschluss umfasst keine Tätigkeiten für Unternehmen, die nicht zur Landwirtschaft gehören.
  • Keine Beschäftigung von Büro- und Verwaltungspersonal an Sonn- und Feiertagen.
  • Arbeitseinsatz ist auf das Minimum zu beschränken, da Schutz der Arbeitnehmer sowie der Sonn- und Feiertagsruhe hohe Anliegen sind.
  • Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen arbeitsfrei sein.
  • Arbeitnehmer, die an einem Sonn oder Feiertag beschäftigt werden, haben Anspruch auf einen Ersatzruhetag bei Sonntagsarbeit innerhalb von zwei Wochen, bei Feiertagsarbeit innerhalb von acht Wochen.
  • Ersatzruhetage müssen im Anschluss an eine elfstündige Ruhezeit gewährt werden.

Zu beachten:

  • Arbeitgeber hat Arbeitszeiten, die an Sonn und Feiertagen absolviert werden, zu dokumentieren.
  • Arbeitszeitdokumentation kann an Arbeitnehmer delegiert werden
  • Arbeitgeber hat Arbeitszeitnachweise mindestens 2 Jahre aufzubewahren.

 

KOMMENTAR

Die Ernte- und Aussaatzeit ist eine sehr zeitkritische und sehr wetterabhängige Phase in der Landwirtschaft. Fällt eine Maschine in dieser Zeit auf dem Feld aus oder lässt sich wegen eines Defektes nicht aufs Feld bewegen, zählt jede Minute für Landwirt und Landtechnikbetrieb – unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit. Die Maschinen müssen instandgesetzt werden (dürfen), sonst drohen Verzögerungen, Ernte- und damit auch Umsatzausfälle. Wollte oder sollte ein Landtechnikbetrieb helfen und seiner Arbeit – eben auch mal nachts um drei Uhr – nachgehen, gab es bislang Zweifel. An Werktagen ist dies möglich. An Sonn- und Feiertagen bewegte man sich als Landtechnikbetreib in einer rechtlichen Grauzone. Das ändert sich nun in engen Grenzen in 13 Bundesländern. Gut wäre es, wenn die übrigen drei Bundesländer mit auf den gefundenen Kurs einschwenken. Noch besser für die Landtechnikbetriebe wäre es, wenn dies der Anfang einer Entwicklung wäre, der Arbeitsrealität in der Landwirtschaft auch einen adäquaten arbeitsrechtlichen Rahmen zu geben und in Einklang mit dem Schutz der Arbeitnehmer zu bringen. Denn diese Regelungen sind ebenso wichtig und notwendig. Im Idealfall nimmt man auch noch die Innenwirtschaft mit in diese Regelungen auf, denn in den Milchbetrieben ist quasi immer „Erntezeit“.

 

Zum Autor

Alexander Bohnsack 

Redaktionsleiter der AGRARTECHNIK

Das Magazin AGRARTECHNIK richtet sich an alle in Landtechnik und -handel beschäftigten Mitarbeiter. Es erscheint monatlich und erreicht eine nahezu 100-prozentige Abdeckung in den Bereichen Landmaschinen, Forstmaschinen und Motorgeräte im deutschsprachigen Raum. Die AGRARTECHNIK ist zudem das Verbandsorgan des LandBauTechnik-Bundesverbands.

 

Den Beitrag finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe 11/2020 der der Agrartechnik