Karl-Josef Laumann ist Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich schon bei der Bundestagung 2019 für die erleichterte Anwendung des Arbeitszeitengesetz für Betriebe der Landtechnik ausgesprochen. Im Interview stellt er nun noch einmal seine Position vor und erklärt, warum kein einheitlicher Beschluss in den Ländern erzielt werden konnte.

Herr Laumann, Sie sind gelernter Maschinenschlosser, wie sah Ihr Arbeitsalltag damals aus?

Es war eine gute Zeit. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Wir hatten da von vielen Berufen eine klare Vorstellung, weil wir viele Handwerker kannten. Und ich fand Landmaschinen schon immer faszinierend – bis heute. Also habe ich meine Lehre in einem Betrieb gemacht, der in diesem Bereich tätig und sogar in unserem Dorf war. Ich habe damals fachlich und menschlich viel gelernt und mitgenommen. Aber die technischen und handwerklichen Herausforderungen, die mit dem Berufsbild verbunden sind, waren bei weitem nicht so hoch wie heute.

Vor diesem Hintergrund können Sie wahrscheinlich sehr gut nachvollziehen, warum Anpassungen an die Arbeitszeitgestaltung in Betrieben der Landtechnik unbedingt notwendig sind?

Natürlich: Wenn z. B. eine Erntemaschine während der Ernte kaputt geht, müssen Unternehmen, die die landwirtschaftlichen Maschinen wieder instand setzen flexibel reagieren können. Das Arbeitszeitgesetz lässt hier einen großen Spielraum für eine flexible Arbeitszeitgestaltung, entweder über gesetzliche oder über tarifvertragliche Ausnahmen.

Sie haben am Rande der jährlichen Bundestagung des LandBauTechnik-Bundesverbands dem Präsidenten Ulf Kopplin und dem Hauptgeschäftsführer Dr. Michael Oelck nicht nur Ihre Gesprächsbereitschaft hinsichtlich dieses Themas angetragen, sondern haben sich anschließend auch für die bundesweite Veränderung der bestehenden Gesetzeslage eingesetzt. Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig?

Ich bin immer ein Freund lebensnaher Lösungen. Beispiel: Eine Maschine fällt bei der Ernte oder beim Melken am Sonntag aus und muss kurzfristig repariert werden, damit weitergearbeitet werden kann. Hier kann man ja nicht warten bis die Ernte auf den Feldern verrottet oder die Kühe im Stall im Dreieck springen. Ursprünglich wurde das Anliegen an mich herangetragen, die bereits geltenden Ausnahmemöglichkeiten für die Landwirtschaft nach dem Arbeitszeitgesetz auch auf das Landmaschinenhandwerk auszuweiten. Hier haben wir eine Lösung gefunden, für die eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes nicht erforderlich ist: Unternehmen des Landmaschinenhandwerks können als Hilfs- und Nebenbetriebe der Landwirtschaft auch deren Ausnahmeregelungen zur Ruhezeitverkürzung in Anspruch nehmen. Wenn es notwendig ist auch an Sonn und Feiertagen.

Die Mehrheit von 13 Bundesländern hat nun einen Beschluss zur Anwendung des ArbZG in Bezug auf Dienstleistungserbringung durch Landmaschinenbetriebe gefasst. Geht Ihnen das weit genug? Oder anders gefragt, wo könnte noch nachjustiert werden?

Natürlich wäre es schön, wenn sich alle Länder bei allen Auslegungsfragen zum Arbeitszeitgesetz immer einig wären. Dann hätten es auch bundesweit tätige Unternehmen oder Interessensvertretungen wie der LandBauTechnik-Verband einfacher. Aber das ist in unserem föderalen System leider nicht immer möglich. Daher versuchen wir immer eine eindeutige Mehrheit zu erzielen. Dazu haben wir einen Vorschlag für eine bundesweit einheitliche Klärung angestoßen und damit einen Beschluss mit der notwenigen Mehrheit erzielt.

Die Landwirtschaft ist wie Sie selbst wissen vielfältig, die Gesetzeslage bezieht sich explizite auf die Ernte- und Aussaatzeiten. Warum ist der Bereich der Innenwirtschaft hier nicht aufgeführt worden, im Stall ist ja sozusagen 24/7 „Erntezeit“?

Das ist so nicht ganz richtig. Zunächst können die Länder keine neue Gesetzeslage schaffen, sie können sich aber auf eine einheitliche Umsetzung bestehender Gesetze verständigen. Und die gesetzlichen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zur Ruhezeitverkürzung oder zur Sonn- und Feiertagsarbeit beziehen sich jetzt schon sowohl auf die Landwirtschaft als auch auf die Tierhaltung. Es ist also egal, ob der Mähdrescher repariert werden muss oder die Melkmaschine oder die Fütterungsanlage.

Fallen denn nun die Regelungen in den tariflichen Geltungsbereich der Landwirtschaft?

Nicht automatisch. Die Tarifvertragsparteien können abweichende Regelungen in Tarifverträgen treffen, soweit dies nach Arbeitszeitgesetz möglich ist. Da vertraue ich ganz auf die Sozialpartner, die das bei entsprechendem Bedarf in der landwirtschaftlichen Praxis schon regeln werden.

Warum konnte der Beschluss Ihrer Meinung nach nicht einstimmig erfolgen?

Weil nicht immer alle Länder einer Meinung sind – das haben wir ja gerade auch während der Corona-Pandemie gesehen. Das ist grundsätzlich auch gut so. Wir leisten uns den Föderalismus ja auch, damit die Länder um die beste Lösung für ein Problem in einen Wettbewerb treten. Wir haben eine Klärung für dieses Problem auf Länderebene angestoßen und die Mehrheit der Länder ist uns gefolgt und hat einen wirksamen Beschluss gefasst.

Wie belastbar ist der Beschluss für den Fall, dass ein Mitarbeiter eines Landtechnikwerkstattbetriebes unter Berufung auf das ArbZG den Rechtsweg einschlägt?

Bei diesem Fall stellt sich für mich zunächst die Frage, was der Mitarbeiter damit bezwecken möchte. Unabhängig davon bleibt jedem der Rechtsweg natürlich immer offen. Aber gerade was die Einbeziehung von Hilfs- und Nebenbetrieben in die Ausnahmeregelungen nach Arbeitszeitgesetz angeht, haben wir ja seit 2014 höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes: Es ist egal, ob eine Arbeit von dem Unternehmen selbst oder von anderen selbstständigen Unternehmen erledigt wird. Entscheidend ist hier, dass die landwirtschaftliche Arbeit ohne den Einsatz des Landmaschinenhandwerks nicht zu Ende gebracht werden könnte.

Hat sich die Corona-Krise auf die Behandlung der Thematik in der Arbeitsgruppe des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ausgewirkt?

Unabhängig von der Corona-Krise ist diese Thematik nach unserer Auffassung abschließend behandelt worden. Sollte sich nach Meinung des Landmaschinenhandwerks weiterer Regelungsbedarf ergeben, bin ich für Gespräche jederzeit offen.

Welche Bedeutung hat das Handwerk für Sie ganz persönlich?

Das Handwerk ist eine zentrale Säule unserer Wirtschaft und ein Job-Motor für Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Das Gütesiegel „Made in Germany“ gilt auch für unser Handwerk. Wir haben hoch qualifizierte und kreative Köpfe, die mit ihren Händen etwas anzufangen wissen und auch im Ausland begehrt sind. Und mit der dualen Ausbildung haben wir in Deutschland ein System der Berufsausbildung, um das uns viele Länder beneiden. Ich habe als „Ausbildungsminister“ sehr viele Kontakte ins Handwerk und bin immer wieder aufs Neue von der Wettbewerbsfähigkeit und der Leistungsstärke der Betriebe beeindruckt.

Welchen Herausforderungen muss sich das Handwerk heute stellen?

Zunächst einmal sieht sich das Handwerk mit Herausforderungen konfrontiert, die auch andere Wirtschaftszweige betreffen. Allen voran ist da sicherlich die Fachkräftesicherung zu nennen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente und es folgen weniger junge Menschen, die als Nachwuchs gewonnen werden können. Darum muss man sich um diese jungen Menschen mehr bemühen als früher. Das ist für die meist kleinen Betriebe im Handwerk häufig schwieriger als für große Unternehmen. Aber die kleinbetriebliche Nähe und die Möglichkeiten zum realen praktischen Mitwirken ist ein großer Pluspunkt, den die Betriebe meines Erachtens noch stärker herausstellen könnten.

Das gilt auch für die Digitalisierung. Wenn man als junger Mensch praktisch die Entwicklungen der Digitalisierung gestalten will, ist das in einem modernen Handwerksbetrieb oft genauso gut möglich wie mit einem technischen Studium in der Tasche. Um die Potenziale der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen, unterstütze ich übrigens gerade kleine Unternehmen mit dem Bildungsscheck auch bei der Weiterbildung und gebe jährlich 8 Mio. Euro Landesmittel in die Modernisierung von Bildungszentren.

 

Das Interview finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe der Agrartechnik 12/2020

Fotos: Jördis Zähring und LBT