Dr.-Ing. Dirk Artelt ist Branchenexperte für Bau- & Landtechnik und Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner (W&P), einer unabhängigen, branchenübergreifenden Top-Management-Beratung für Familienunternehmen und Kooperationspartner des LandBauTechnik-Bundesverbands.

In einem Interview gibt er Einschätzungen, wie sich Betriebe in Krisenzeiten besonders gut aufstellen können.

Welche drei Worte beschreiben für Sie das Jahr 2020 am besten?
Volatilität, Digitalisierung, Chancen!

 Worin liegen aktuell die Herausforderungen für die Land- und Baumaschinenhändler und -handwerker als auch für die Motorgeräte-Fachbetriebe, meist Unternehmen mit 10-20 Mitarbeitern?Zu Beginn der Corona-Pandemie ging es für viele Fachbetriebe um das unternehmerische „Überleben“. Liquidität und Finanzierung mussten gesichert, Lieferketten für bestellte Produkte & Services (Spare Parts) aufrechterhalten werden. Auf Grund der ungewissen wirtschaftlichen Situation steht jetzt natürlich der Umsatzrückgang im Vertrieb von Neu- und Gebrauchtmaschinen im Fokus.

Doch es gibt auch Lichtblicke: Das Servicegeschäft ist weitestgehend stabil und speziell im Baumaschinenhandel erweist sich das Vermietungsgeschäft als Umsatzstütze. Verkaufskonzepte, wie z.B. „Mietkauf“ werden vom Endkunden stärker nachgefragt. Und auch die ersten Konjunkturprogramme im Bereich der Infrastruktur machen sich in den Auftragseingangsbüchern bemerkbar.

Die größte Herausforderung in dieser „Gemengelage“: Vom reaktiven „Fahren auf Sicht“ wieder in eine aktive Zukunftsgestaltung zu wechseln und strategisch vorzugehen.

Die Corona-Krise verlangt uns vor allem im Privaten viel Passivität ab, was heißt für Sie trotzdem die Zukunft aktiv zu gestalten?
Viele Fachbetriebe haben ihre Kundenprozesse auf die veränderten Marktgegebenheit der Corona-Krise intuitiv richtig angepasst: Intensivierte Telefonberatung, Ausbau des Liefer- und Abholservice, verstärkte Werbemaßnahmen/-aktionen – alles, um die Kundennähe zu halten und zu intensivieren.

Der Wandel zum Multi-Channel Vertrieb muss allerdings schneller, proaktiver und strategisch durchdacht angegangen werden. Beispielsweise können Onlineplattformen stärker genutzt sowie der Ausbau des Online-Angebots intensiver angegangen werden. Aber auch die Hersteller müssen hier ihren Händlern unter die Arme greifen! Sie können dabei helfen, Verkaufsprozess und Kundenerlebnisse z.B. über Virtual Reality (VR) sowohl im Verkauf als auch im Service digital erlebbar zu machen.

In diesem Zusammenhang heißt aktive Zukunftsgestaltung für mich vor allem: Ungenützte Potenziale der Digitalisierung jetzt noch intensiver ausschöpfen! Da sich der Markt sowie Kundenbedürfnisse und -verhalten durch die Pandemie nachhaltig verändern, muss die proaktive Zukunftsgestaltung darüber hinaus immer beim Kunden ansetzen.

Glauben Sie, dass die Digitalität es möglich macht, dass wir an der Krise wachsen?
Krisen zeigen oftmals Defizite der Vergangenheit auf und die Veränderungsbereitschaft steigt. In der Praxis beobachten wir, dass je höher der digitale Reifegrad eines Unternehmens, je automatisierter die Prozesse und je vernetzter die Wertschöpfung, desto besser werden Effekte der Krise „verdaut“. Unternehmen, die ihre Hausaufgaben im Bereich der Digitalisierung gemacht haben, können in der gegenwärtigen Situation die Spielregeln ihrer Branche zu ihren Gunsten verändern! Sie können innovative Kundenlösungen und neue Geschäftsmodelle für ein profitables Wachstum nutzen.

Wie beraten Sie Ihre Klienten ganz konkret? Wie gehen Sie bei der Analyse vor und welche Handlungsleitfäden für die Zukunft geben sie mit an die Hand?
Wir beraten unsere Kunden mit dem Ziel, ihr Unternehmen zukunftsorientiert aufzustellen, um so möglichst als einer der Gewinner aus dieser Krise hervorzugehen. Dabei orientieren wir uns an sieben wesentlichen Entscheidungsfeldern mit entsprechenden Zielen:

  • Markt- und Kunde: Markt- und Kundenbedürfnisse erfüllen
  • Wertschöpfung: Fertigung und Supply Chain richtig dimensionieren
  • Performance & Ergebnis: Verluste vermeiden, Ergebnis verbessern, Kapitalbedarf senken
  • Finanzierung: Liquidität und Durchfinanzierung absichern
  • Organisation & Führung: Konsequent und nachhaltig umsetzen
  • Gesellschafter: Vermögen und Unabhängigkeit sichern, Haftungsrisiken vermeiden
  • Digitalisierung: Potenziale der Digitalisierung über alle Handlungsfelder hinweg jetzt angehen und nutzen

Wichtig dabei: Nicht für jedes Unternehmen sind alle Felder relevant! Insofern setzen wir darauf, schnell Transparenz zur Ausgangssituation in den Entscheidungsfelder zu schaffen, die relevanten Entscheidungsfelder auf Basis der Analyse auszuwählen, maßgeschneiderte

Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, ihre Umsetzung zu planen und anzustoßen sowie alle relevanten Gesellschafter, Führungskräfte und Mitarbeiter einzubinden.

Was ist für Sie die beste Krisenstrategie?
Ganz klar: Agilität! Nur wer bei veränderten Vorzeichen schnelle Entscheidungen trifft und sich immer an der Marktdynamik ausrichtet, wird weiter vorne „mitspielen“. Auch in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Unternehmen durch Innovationen, die Transformation ihres bestehenden Geschäfts, die verstärkte Ausrichtung auf den Kunden und den Mut, alte Krusten aufzubrechen, gestärkt aus Krisen hervorgegangen sind.